MARCO GIANNI

MARCO GIANNI

Oct 2024
21

Hamburg Markthalle

Live 2024

Einlass: 19:00 Uhr,
Beginn: 20:00 Uhr
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„Ich weiß nicht mal, was auf der Welt abgeht“, gibt Marco Gianni zu und spricht damit seinem Publikum aus dem Herzen, entlastet es, gönnt ihm ein inneres „ich auch nicht!“ mit gutem Gewissen. „Ich gucke keine Tagesschau“, fährt er fort, lässt die Sprechpause genau lang genug stehen und droppt schließlich die Pointe: „Keine Ahnung, bei welcher Staffel wir gerade sind.“ Der junge Mann mit italienischen Wurzeln spielt seine Betrachtungen über die Conditio humana vor einem großen Publikum mit einer solch lässigen Präzision, wie sie üblicherweise nur bei älteren Hasen des Kabaretts zu erleben ist. Dabei ist die Bühne erst seit kurzem sein neues Metier. Bekannt wurde Marco über Instagram, YouTube und TikTok mit einem Ansatz, den sich keine Agenturschmiede für Influencer:innen ausdenken kann. Ein Twist, der auf dem Sofa entstand, während der Pandemie, das Smartphone in der Hand und angestachelt von der affektierten Dämlichkeit der Posen und der gekünstelten Art, in der vor allem Influenceri:nnen ihr vermeintliches Leben inszenieren. Die gespielte Begeisterung für gesponserte Produkte, aber auch die Unterstellung, das Publikum müsse durch alltägliche Plot Points im Leben der Influencer:innen ähnlich geflasht sein wie durch Cliffhanger in einer spannenden Serie. Das alles empfand Marco Gianni so peinlich und cringe wie das Verhalten der Mitmenschen des armen Truman Burbank in der „Truman Show“. Also begann er sich als Reactor darüber lustig zu machen, indem er die gewünschten Reaktionen der Fans jener Influencer:innen zugespitzt vorspielt. Die Formel, die keine war, sondern nur das Feuer eines amüsierten Ärgers, zündete. Rund zwei Millionen Follower:innen regen sich in den sozialen Medien zusammen mit Marco über die Scheinwelt auf. Niemand, so Marco, gehe zu Brettspielabenden wegen der Brettspiele, sondern nur wegen des Alkohols. In Wahrheit denken Eltern über ihre Kinder, sie seien undankbares Pack und erwarten selbstverständlich eine Gegenleistung für mindestens zwei Jahrzehnte der Aufopferung. Und schon ein Mittzwanziger wie er, fühlt sich alt, wenn er eine Filiale von Snipes betritt und dort eine Hipster-Fremdsprache erlebt, die als Mischung aus Silicon-Valley-Englisch, MDMA-Restwirkung und sanftem Klingonisch gut beschrieben wäre. Für seine messerscharfen Überzeichnungen des Alltags greift der in Berlin lebende Comedian auch auf eigene Erfahrungen zurück. Man sieht den kleinen Gianni förmlich im Jugendzimmer eines biodeutschen Freundes, wie er sich verwirrt die Augen darüber reibt, dass dieser seine Mutter wie eine Praktikantin durch die Gegend scheuchen kann. Das hätte es bei Mama Gianni nicht gegeben. Er beleuchtet die eigenen Eitelkeiten, wenn man extra zehn Sekunden lang den Weg zur Tür verzögert, als hätte man nicht schon längst dahinter auf den desillusionierten Pizzaboten gewartet. Ohne Politik, ohne Diskurs, ganz tief im alltäglichen Leben, geht es bei Marco Gianni somit durchaus um etwas. Ob bei seinen Videos im Netz oder beim Storytelling auf der Live-Bühne – dieser junge Mann führt vor, wie wir mit unseren verletzten Egos ständig ein Bild von uns zeichnen, welches für alle dermaßen viel zu hoch hängt, dass unsere Seele Dehnungsschäden bekommt. Er zeigt nicht bloß, wie nackt der Kaiser ist, sondern auch all seine Untertanen.

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